TR – 2. Akt

Willkommen zum zweiten Teil, und zum zweiten Akt dieser glorreichen Actiontragödie. Wer den ersten Teil noch nicht gelesen hat, findet ihn hier.

Douglas tut also den entscheidenden Schritt zu Rekall und unterzieht sich einem Eingriff. Dabei geschieht das dramaturgisch unvermeidliche: Sein Hirn kollabiert, und er verliert sich in der eingepflanzten Erinnerung. Der Ego-Trip wird für Douglas Realität. Und wie der Protagonist des Filmes, mit dessen Wahrnehmung das Publikum die ganze Zeit durch den Film geleitet wird, so merkt auch der Zuschauer nicht sofort, dass es sich bei der vermeintlichen Realität eigentlich um eine Traumwelt handelt. Eine Traumwelt, in der Douglas in bester Schizo-Manier seine geheimen Wünsche, Ängste und Leidenschaften auslebt.

Um aber vollends in diese Traumwelt einzutauchen, muss Douglas dafür zunächst zwei Schwellenhüter überwinden. Sie sind gewissermaßen sein gesunder Menschenverstand und seine Zurechnungsfähigkeit, die sich in seiner Wahnvorstellung natürlich als das manifestiert, was ihn auch zuvor bereits an seinem Trip zu Rekall hindern wollte: Ehefrau und Kollege. Und es wäre kein Schwarzenegger-Film, wenn er sich diesen Weg durch überzeugende Diskussionbeiträge bahnen würde. Ganz im Gegenteil: Der Kampf zwischen Stone und Schwarzenegger ist so rücksichtslos, wie man einen Kampf zwischen Muskelprotz und Sexbombe in dieser Zeit eben inszenieren kann.

Der Tragödie zweiter Teil.

Als schließlich alle Hindernisse überwunden sind, steht dem zweiten Akt des Filmes und der Flucht in den Wahnsinn nichts mehr im Weg. Douglas gleitet hinab in seine Traumwelt, und wird dabei von seiner inneren Stimme immer weiter in den Wahn gesogen. Der Ego-Trip, der ihm in so fataler Weise eingepflanzt wurde, meldet sich in Form von Video-Botschaften, Nachrichten oder Meldeläufern zu Wort, die ihn allesamt immer stärker von seiner ursprünglichen Identität als Douglas Quaid loseisen wollen. Schließlich muss er sogar selbst einen lobotomieartigen Eingriff vornehmen, um die letzte Fessel an die ihn hindernden Kräfte abzuwerfen. Das ist eine sehr eklige Szene, aber vor allem auch ein entscheidender Schritt in den Wahnsinn.

Selten aber war Wahnsinn so abenteuerlich, vor allem, weil dem Zuschauer nur die subjektive Perspektive des Protagonisten bleibt: Douglas ist also in (wahnhafter) Wahrheit ein Geheimagent, und sein tristes Leben als Bauarbeiter war selbstverständlich nur eine Fassade, um den bösen Feind zu täuschen. Er findet sich in einem kafkanischen Bedrohungsszenario wieder, in dem jemand ihn verleumdet haben musste, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, will man ihn des Abends verhaften. (Ich sage übrigens kafkanisch, weil kafkaesk so ein germanistisches Modewort der 2000er war.) Es wirkt wie ein klassischer Agentenfilm: In einer Bar trifft er eine Frau mit Vergangenheit, er schließt sich einer ausgestoßenen Resistance an, die natürlich gegen einen bösen Tyrannen kämpft, der wiederum in seiner Festung mit Blick auf sein Reich über Leben (Luft) und Tod (keine Luft) gebietet. Dabei bemerkt der findige Zuschauer schnell, dass alle Details bis hin zum Aussehen seiner weiblichen Nebenrolle zuvor bei Rekall mit ihm abgestimmt wurden. Selbst die gruseligen Mutationen der Marsbewohner und die mysteriösen Aliens flimmerten zuvor über den Bildschirm des Unternehmens.

Der Höhepunkt und die Katastrophe

Schließlich kommt es zur entscheidenden Prüfung: Douglas Zurechnungsfähigkeit sammelt noch einmal alle Kräfte, und bäumt sich ein letztes Mal gegen den Wahnsinn auf. Ein großväterlicher Mann erscheint plötzlich in seinem Appartement und redet mit Engelszungen auf ihn ein. Es ist genau jener Mann, der anfangs in den Werbespots zu Douglas (und der restlichen Welt) gesprochen hat. Der Herold also, der ihn in die Traumwelt gerufen hat, will ihm nun wieder den Weg hinaus weisen. Wie ein Psychiater erklärt der alte Mann ihm sehr eindringlich, dass er sich eigentlich noch bei Rekall befindet und dort infolge der Nebenwirkungen des Eingriffs ins Koma gefallen ist. Der alte Mann ist hier die Stimme der Vernunft, die davor warnt, dass Douglas nicht vollends den Bezug zur Realität verlieren darf. Und wie später in Matrix (und das ist dort ein direktes Zitat dieser Szene) wird dem Protagonisten eine Pille angeboten, die seine Illusion beendet.

Genau hier scheitert der Held, und er scheitert grandios. Ein einzelner Schweißtropfen auf der Stirn des engagierten Psychologen dient ihm als Indiz zur Lüge – wer unbedingt glauben will, der glaubt auch ohne große Beweise. Ohne zu zögern tötet Douglas nicht nur den engagierten alten Mann, sondern auch seine Frau, die als letztes Mal als Schwellenhüter an der Pforte zum Wahnsinn auftritt: Natürlich wird dieser Umstand stilecht mit einem Oneliner beschlossen: „Considdersät äddiwoas.“ Aber es ist eben nicht nur die Trennung von seiner Frau, sondern auch die letzte Trennung von seiner Zurechnungsfähigkeit.

Und Dienstag geht es zu Ende…