Die Kunst in Belgien

Erinnern wir uns an damals: Es war Sommer, ganz ohne Peter Maffay. Die Stadt feiert. Der Rock ist gerade verklungen,  die Leute schwemmt es nach Hause, zu Dönerfleisch oder in die Clubs. Wir sitzen im Belgischen Viertel auf dem Bordstein. Um nicht gewöhnlich zu wirken, geben wir uns avant: wir vergegenständlichen uns. Zurück zum Beton. Um unser spontanes Projekt ideologisch zu untermauern, will ich Georg Heym zitieren. „Auf einem Häuserblocke sitzt er breit“, aber weiter kann ich mich nicht erinnern. Halbbildung greift um sich, der Leistungskurs Deutsch ist schon so weit weg wie die D-Mark.

Es ist recht laut. Eine neue Bar tut ihre Tore auf und gibt sich der angesagten Öffentlichkeit preis. Zum Goldenen Schuss. Klingt wie ein Druckraum, ist aber ein Club. Frodo nimmt seinen Cordhut und hält ihn verschmitzt den schlendernd-torkelnden Bordsteinflaneuren hin. Einige junge angesagte Mädchen sind zu jung und angesagt, um ihn zu bemerken. Sie ignorieren uns angestrengt, wir sind ihnen nicht jung und angesagt genug. Jemand ruft grinsend: „Sucht euch ‘n Job!“ „Wir sind Künstler!“ erwidert  Frodo etwas zu spät, um schlagfertig zu sein.

Lebenskünstler vielleicht. Das wäre schön, Tramps mit Gitarren und einem Rucksack voller Pläne, den Schalk im Nacken und Gold in der Kehle. Obwohl das unsere Theorie der Vergegenständlichung nicht mitmachen würde. Außerdem klingt “Gold in der Kehle” nach Heinz Rühmann oder Erhardt; und dafür sind wir nicht schwarzweiß genug. Wir sind eine urbanistische Situative. Eine raumgreifende Installation, gastspielend auf dem Bordstein. Roadway the hard way.

Jemand grüßt recht nett. Es wird verschämt gelacht. Wir müssen dann doch weiter, Stillstand bedeutet in der Kunst ja für gewöhnlich den Tod.