Böll und Batman

1954: Der Schriftsteller Heinrich Böll reist mit seiner Familie durch Irland. Böll veröffentlicht seine Aufzeichnungen über diese Reise sukzessive in der FAZ, später dann komplett in Buchform. Auf dem Weg von Dublin nach Westport sinniert er über die Einsamkeit Irlands und den Dunklen Ritter, der zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ständisch, sondern bloß ein gemeiner Gassenhauer ist.Dunkel zwar, aber von wenig edlem Geblüt.

Zwar hat Batman nichts mit Irland zu tun, dafür aber mit Einsamkeit. Sehr scharfsinnig von Herrn Böll, trotz der offenkundigen Abneigung.

Klein sind die Stationen, hellgrün die Bahnhofsgebäude, schneeweiß die Umzäunungen gestrichen, und auf dem Bahnsteig steht meistens ein einsamer Junge, der sich aus Mutters Tablett und einem Lederriemen einen Bauchladen gemacht hat: drei Tafeln Schokolade, zwei Äpfel, ein paar Rollen Pfefferminz, Kaugummi und ein Comic; einem dieser Knaben wollten wir unseren letzten silbernen Schilling anvertrauen, doch die Wahl war schwierig. Die Frauen plädierten für Äpfel und Pfefferminz, die Kinder für Kaugummi und Comic. Wir schlossen einen Kompromiß und kauften Comic und eine Tafel Schokolade. Das Heft hatte den vielversprecheden Titel “Bat Man”, und auf dem Tifel sah man einen dunkel maskierten Mann an Hausfassaden hochklettern.

Einsam auf dem kleinen Bahnhof im Moor blieb der lächelnde Junge zurück. Der Stechginster blühte, die Fuchsienhecken hatten schon Knospen; wilde grüne Hügel, Torfhaufen; ja, grün ist Irland, sehr grün, aber sein Grün ist nicht nur das Grün der Wiesen, auch das Grün des Mooses, gewiß hier, hinter Roscommon, auf Mayo zu, und Moos ist die Planze der Resignation, der Verlassenheit. Verlassen ist das Land, entvölkert sich langsam, aber stetig, und uns – keiner von uns hatte den Streifen Irlands je gesehen, je das Haus besichtigt, das wir irgendwo im Westen gemietet hatten -, uns wurde ein wenig bang: vergebens suchten die Frauen links und rechts der Eisenbahn nach Kartoffeläckern, Gemüsefeldern, nach dem frischen, weniger resignierten Grün des Salats, dem dunkleren der Erbse. Wir teilten uns den Riegel Schokolade und versuchten, uns mit “Bat Man” zu trösten, aber der war wirklich zu bad.

Er kletterte nicht nur, wie er auf dem Titelblatt versprochen hatte, an Hausfassaden hoch; offenbar war eines seiner Hauptvergnügen, Frauen im Schlaf zu erschrecken; auch konnte er, indem er seinen Mantel ausbreitete, durch die Lüfte davonfliegen, Millionären Dollars abnehmen, und seine Taten waren in einem Englisch beschrieben, das nicht kontinentalen Schulen und nicht auf den Schulen Englands und Irlands gelehrt wird; stark war “Bat Man” und schrecklich gerecht, aber hart, und er konnte gegen Ungerechte sogar grausam sein, schlug er doch auch gelegentlich jemandem die Zähne ein, welcher Vorgang in schöner Lautmalerei mit Skrietsch überschrieben war. Keinen Trost bot “Bat Man”.

Heinrich Böll: Irisches Tagebuch, München 1961