Ego-Trip nach Arkadien
Mit Arkadien ist das so eine Sache; ich hatte ja neulich schon darüber geschrieben. Der Urlaub vom eigenen Leben in die vermeintliche Idylle. Aber dieser Urlaub ist eigentlich kein wirklicher Urlaub. Es ist ein Ego-Trip mit viel Gepäck.
1628 zum Beispiel. Da schuf der italienische Maler Giovanni Francesco Barbieri, gen. “Il Guercino”, ein Gemälde, auf dem zwei Hirten in einer reichlich idyllischen Landschaft einen Totenkopf entdecken. Man schaut überrascht: im antiken Paradies erkennt man plötzlich die Sterblichkeit. Idee und Titel des Gemäldes sind gut lesbar in das darunterliegende Mauersims eingemeißelt: Et In Arcadia Ego. Das heißt soviel wie Bedenke, dass alles sterblich ist, denn auch ich, der Tod, bin in Arkadien. Ein klassisches Memento Mori.
Guercinos Gemälde war damit der Startschuss für zahllose Interpretationen und Umdeutungen, die allesamt das Motiv der Vergänglichkeit in ein ansonsten bukolisches Setting einbrachten. In seiner leicht morbiden Luxuskritik typisch barock, so wie man es auch an den zahllosen Vanitas-Stillleben sieht. Sinngemäß: Mach mal halblang, du wirst schon sehen.
Guercino, Et in Arcadia ego
Guercinos Phrase ist dabei nicht zwangsweise ein Statement des Sensenmanns. Bei ihrer Verwendung durch Nicolas Poussin etwa kann sie auch als Sündenfall von Otto Normalbürger gelesen werden: Aus Auch In Arkadien Bin Ich wird Auch Ich War In Arkadien. Jeder Mensch war irgendwann mal im Paradies – und dann hat er eben Mist gebaut. Schlange, Apfel, das Übliche. (Poussins Behandlung dieses Motivs liefert übrigens viel Stoff für Verschwörungstheorien und wird sehr gelungen in die Story von Gabriel Knight 3 eingebaut, das nur am Rande.)
Nicolas Poussin, Die Hirten von Arkadien
Diese Ichbezogenheit (griechisch: Idiotie) in der Deutung Poussins ist aber absolut zeitgemäß. Man muss das Ego im Satz nur wörtlich nehmen. Dann sind wir nämlich wieder beim Ego-Trip. Denn wenn ich in Arkadien bin, habe ich mein Ego im Gepäck. Seine Probleme, seine Wünsche, all die Macken, Träume und Ängste. Wenn ich depressiv bin, ist es egal, ob ich dabei unter Palmen sitze. Oder, wie Andi Brehme sagt: Haste Scheiße am Schuh, haste Scheiße am Schuh. Ob ich dabei nun in Kreuzberg oder in Kalkutta sitze, macht da keinen Unterschied. Man kann vor seinem Selbst nicht wegrennen. Das ist so kalenderblattbanal wie wahr. Das Paradies kann perfekt sein und die Gegenwelt noch so zauberhaft – aber ich bin eben auch in Arkadien.
Sehr schöner Tipp! Und eine gute Frage…
Hängt Glückseligkeit von Glück ab? Hierzu ist http://www.ted.com/talks/lang/eng/dan_gilbert_asks_why_are_we_happy.html interessant.