Wie zu schreiben sei

Es gibt ja Buchautoren, die bieten für teuer Geld Schreibkurse an. Oft für Hausfrauen und -männer fortgeschrittenen Alters, deren Leben von derart überragender Außergewöhnlichkeit ist, dass zahlreiche Verlage dieses Leben gerne würden verlegen wollen. Für einen kleinen Druckkostenzuschuss versteht sich, denn die Zeiten seien ja hart, und die Qualität Hölderlins beispielsweise wäre ja auch erst nach seinem Tod erkannt worden.

Zum Glück gibt es aber auch Schriftsteller, die ganz unprätentiös ein paar Tipps unters Volk gejubelt haben. OpenCulture hat neulich ein paar von ihnen gesammelt, namentlich von Henry Miller, George OrwellMargaret Atwood, Elmore Leonard und Neil Gaiman. Ich war so frei, sie ins Deutsche zu übertragen. Vielleicht gebe ich damit Kurse für Hausfrauen und -männer fortgeschrittenen Alters, deren Leben von derart überragender Außergewöhnlichkeit ist, dass ich ihr Leben gerne würde verlegen wollen. Für einen kleinen Druckkostenzuschuss versteht sich, denn die Zeiten sind hart und die Qualität Hölderlins beispielsweise ist auch erst nach seinem Tod erkannt worden.

Nun aber der Rat der Altvorderen, und ein paar Bonustipps aus der New York Times.

Henry Miller rät:

  1. Arbeite immer nur an einer Sache gleichzeitig.
  2. Fang keine neuen Bücher an und füge auch bei Black Spring nichts neues mehr hinzu.
  3. Sei nicht nervös. Arbeite ruhig, gut gelaunt und unbekümmert an allem, was anliegt.
  4. Arbeite nach Plan und nicht nach Stimmung. Hör zu vorher festgelegten Zeiten auf!
  5. Wenn du nicht schöpfen kannst, kannst du arbeiten.
  6. Füge jeden Tag Bindemittel hinzu, satt immer nur zu düngen.
  7. Bleib menschlich! Triff Leute und geh etwas trinken, wenn du Lust dazu hast.
  8. Sei kein Dressurpferd! Arbeite nur aus Leidenschaft.
  9. Verwirf den Plan, wenn dir danach ist. Aber komm am nächsten Tag darauf zurück. Konzentriere dich. Grenz ein. Streich etwas weg.
  10. Vergiss die Bücher, die du schreiben willst. Denk allein an das Buch, das du schreibst.
  11. Schreib immer und zuerst. Malerei, Musik, Freunde, Kino – das alles kommt nachher.

 

George Orwell ermahnt:

  1. Verwende niemals eine Metapher, einen Vergleich oder eine Redewendung, an die du dich beim Lesen gewöhnt hast.
  2. Verwende niemals ein langes, wenn es auch ein kurzes Wort gibt.
  3. Wenn möglich, lass ein Wort aus.
  4. Verwende niemals das Passiv, wenn du das Aktiv verwenden kannst.
  5. Verwende niemals ein Fachwort, Fremdwort oder Slangwort, wenn es eine alltägliche Entsprechung dafür gibt.
  6. Brich jede dieser Regeln, bevor du etwas gänzlich Langweiliges schreibst.

 

Margaret Atwood weiß:

  1. Nimm einen Bleistift mit, um an Bord von Flugzeugen zu schreiben. Füller laufen aus. Wenn ein Bleistift allerdings abbricht, kann man ihn nicht anspitzen, weil man an Bord keine Klingen mitführen darf. Deshalb: Nimm zwei Bleistifte mit.
  2. Wenn beide Bleistifte abbrechen, kann man sie provisorisch mit einer Nagelfeile anspitzen.
  3. Nimm etwas mit, auf das man schreiben kann. Papier ist gut. Notfalls tut es auch ein Stück Holz oder dein Arm.
  4. Wenn du einen Computer benutzt, mach immer eine Sicherheitskopie auf einem USB-Stick.
  5. Mach Rückengymnastik. Schmerzen lenken ab.
  6. Halt den Leser bei der Stange. (Das ist einfacher, wenn du selbst bei der Stange bleibst.) Aber du weißt leider nicht, wer der Leser ist – deshalb ist das etwa so, als würdest du Fische im Dunkeln mit einer Schleuder jagen. Was A fasziniert, langweilt B zu Tode.
  7. Du wirst vermutlich einen Thesaurus, ein kleines Grammatikbuch und gute Bodenhaftung brauchen. Letzteres bedeutet: Es gibt nichts geschenkt. Schreiben ist Arbeit. Und Glückssache: Es gibt keine Altersvorsorge. Andere können Dir helfen, aber letztendlich bist du auf dich allein gestellt. Niemand zwingt dich dazu. Du hast es dir ausgesucht, also beschwer dich nicht.
  8. Du kannst dein eigenes Buch niemals mit der unschuldigen Vorfreude lesen, die dich sonst bei der ersten Seite eines neuen Buches beflügelt. Du hast es ja selbst geschrieben. Du warst hinter der Bühne. Du hast gesehen, wie die Kaninchen im Zylinder versteckt wurden. Deshalb frag lieber einen oder zwei Freunde, ob sie mal einen Blick auf dein Werk werfen, bevor du es an irgendjemand im Verlagsgeschäft gibst. Dieser Freund sollte niemand sein, mit dem du romantisch verbandelt bist. Es sei denn, du möchtest gerne Schluss machen.
  9. Lass mitten im Wald nicht einfach den Kopf hängen. Wenn du dich in der Handlung verirrst oder eine Schreibblockade hast, verfolge deine Schritte zurück zu dem Punkt, an dem du falsch abgebogen bist. Nimm den anderen Weg. Oder ändere die Person. Ändere die Zeitform. Andere die erste Seite.
  10. Gebete können helfen. Oder anderer Lesestoff. Oder die dauernde Vorstellung des Heiligen Grals in Form der fertigen, veröffentlichten Version deines großartigen Buches.

 

Elmore Leonard erinnert:

  1. Lies niemals ein Buch nach Wetterlage.
  2. Vermeide Prologe.
  3. Verwende niemals ein anderes Verb als “sagte”, um wörtliche Rede einzuleiten.
  4. Verwende niemals ein Adverb, um das Verb “sagte” abzuwandeln.
  5. Halte deine Ausrufezeichen unter Kontrolle!
  6. Verwende niemals die Wörter “plötzlich” oder “es brach die Hölle los”.
  7. Nutze Dialekt nur sparsam.
  8. Vermeide detaillierte Charakterbeschreibungen.
  9. Das gleiche gilt für Orte oder Sachen.
  10. Lass die Teile aus, die Leser überspringen.

 

Neil Gaiman empfiehlt:

  1. Schreiben.
  2. Ein Wort nach dem anderen. Finde das richtige Wort, schreib es auf.
  3. Bring zu Ende, was du schreiben möchtest. Was auch immer du dafür zu Ende bringen musst, bring es zu Ende.
  4. Leg es beiseite. Lies es, als ob du es noch nie zuvor gelesen hast. Zeig es Freunden, deren Meinung du respektierst und die Sachen dieser Art mögen.
  5. Denk daran: Wenn jemand sagt, irgendwas sei falsch oder funktioniere irgendwie nicht, liegen sie meist richtig. Wenn sie dir genau sagen, was falsch ist oder nicht funktioniert, liegen sie meist falsch.
  6. Schreib es um. Denk dran: Bevor es überhaupt den Hauch von Perfektion hat, musst du es kurz aufgeben, weitermachen und die nächste Sache schreiben. Perfektion ist wie ein Lauf zum Horizont. Lauf weiter.
  7. Lach über deine eigenen Witze.
  8. Die oberste Regel beim Schreiben: Solange du mit genug Zuversicht und Selbstbewusstsein bei der Sache bist, darfst du alles was du willst. (Das mag auch für das Leben gelten. Für das Schreiben trifft es jedenfalls zu.) Also schreib deine Geschichte auf die Art, wie sie geschrieben werden muss. Schreib sie ehrlich und erzähl sie so gut wie du kannst. Ich glaube nicht, dass es noch andere Regeln gibt. Zumindest keine von Belang.

 

Bonustipps von William Safire:

(In teilweise recht freier Anpassung an die deutsche Sprache)

  1. Es ist ratsam, Infinitive immer korrekt auf zu teilen.
  2. Das Passiv sollte niemals gebildet werden.
  3. Formuliere Aussagen niemals negativ.
  4. Verben müssen mit ihren Subjekten einverstanden sein.
  5. Lies sorgfältig Korrektur, ob du Wörter versehentlich hast.
  6. Wenn du deine Texte erneut durchliest, wirst du beim erneut durchlesen eine Menge Wiederholungen beim erneuten durchlesen finden.
  7. Ein Autor darf niemals deine Perspektive wechseln.
  8. Und beginne niemals einen Satz mit einer Konjunktion. (Eine Präposition ans Satzende zu stellen, läuft ebenfalls dem guten Stil zuwider.)
  9. Verschwende keine Ausrufezeichen!!
  10. Platziere Pronomen so nah wie möglich, vor allem in langen Sätzen von ungefähr 10 oder mehr Wörtern, aber auch länger, an ihrem Referenten.
  11. Vorsichtig schreibend, man sollte sich vor Partizipien in acht nehmen.
  12. Wenn irgendein Wort am Ende des Satzes seltsam wirkt, dann weil ein wichtiges Verb wahrscheinlich.
  13. Vorsicht ist die Mutter allen Übels, bring deshalb keine Metaphern oder Redewendungen durcheinander.
  14. Vermeide Trendsprache, das ist Niveaulimbo.
  15. Du solltest darauf achten, ein Pronomen nur dann in der Einzahl zu verwenden, wenn auch deren Nomen im Singular steht.
  16. Umgangssprachlicher Ausdruck gehört vermieden.
  17. Das Reflexiv erweist, sehr weit nachgestellt, als schwierig sich.
  18. Zu guter Letzt: Meide Klischees wie der Teufel das Weihwasser. Finde geistreich Ersatz.