Wenn die Band zum Aufbruch bläst…

Es geht mal wieder um Musik. Über den Soundtrack des Lebens gewissermaßen. Genauer: Um einen Song von Amy MacDonald. Die Platte This is the Life ist zwar schon etwas älter, aber ich habe sie durch einen Zufall neulich wieder in die Finger bekommen. Ich meine Let’s start a band, Stück Nummer 6 des Albums. Auf den ersten Blick ist das ein recht unscheinbarer Song. Aber bei etwas genauerer Betrachtung wird klar, dass es sich hier um ganz großes Heldenkino handelt. Hier geht es nämlich um einen Menschen, der sich einen übermenschlichen Ruck gibt. Der aufsteht und eine Sache anpackt.

Gut, wird man sagen, das hört man in jedem zweiten Song von Springsteen. Aber Let’s start a band hat mich deshalb so nachhaltig beeindruckt, weil sich dieses katalytische Moment nicht nur im Text zeigt, sondern auch im Songwriting und Arrangement.

Schon die Morricone-Trompete zu Beginn macht keinen Hehl daraus, dass es sich hier um echte Heldenmusik handelt. Wer denkt bei diesem leicht wehmütigen, aber trotzdem klaren, ehrlichen und zielstrebigen Klang nicht sofort an einsame Männer, die tun müssen, was einsame Männer eben tun müssen. Gilt übrigens auch für Frauen, obwohl Männer sicherlich mehr von diesem inneren Heldenhund getrieben werden. Die Trompete jedenfalls ist seit jeher das ultimative Instrument aller Heroen und Titanen, die mit sich und ihrem Schicksal ringen und dabei nicht selten Übermenschliches zu Stande bringen.

Ein übermenschlicher Kraftakt

Der Klang der Trompete sagt uns: Das Gründen einer Band ist ein Kraftakt und gründet in einem der mutigsten Gedanken, die ein Mensch denken kann: Sich selbst eine Stimme zu geben. Aufzustehen, seinen Gedanken und Gefühlen Klangraum zu verschaffen und mit lauter Stimme zu sagen: Das bin ich, hört mir zu.

Put a ribbon round my neck and call me a libertine
I will sing you songs of dreams I used to dream
I will sail away on seas of silver and gold
Until I reach my home

Jeder Mensch, der nur einige Akkorde von frühen Beatles-Songs auf der Gitarre klampfen kann, wird diesen Gedanken schon einmal gehabt haben. Vielleicht in einem kleinen, schmierigen Raum über der Schulsportturnhalle. Mit einem verstimmten Klavier in der Ecke, synthetischer Raufaser am Boden und asbestschwangeren Platten an der Decke. Und in der Luft viele zerpulverte Ideen in Form von kleinen Staubkörnchen, die in den schräg einfallenden Sonnenstrahlen der Oberlichter zu längst verklungener Musik tanzen. In solchen Räumen werden Träume geboren.

Give me a guitar and I’ll be your troubadour
Your strolling minstrel 12th century door to door
I don’t know anymore, if that feeling is past will it last
Oh, how can you be sure?

Let‘s start a band. Lass mal ne Band machen. So klingt Aufbruch im Jargon der postrevolutionären Jugend. Dass diesem Gedanken meistens nur wenig folgt, ist dabei erst mal egal. Der Gedanke allein zählt, es geht um den Moment. Und das Gefühl, jetzt dieses Rockprojekt zu haben, das man auf der nächsten Party den Mädels erzählen kann. Allein das ist es wert. Amy singt genau darüber.

Give me a stage and I’ll be your rock and roll queen
Your 20th century cover of a magazine
Rolling Stone here I come, watch out everyone, I’m singing
I’m singing my song

Natürlich ist das alles metaphorisch. Es geht, klar, um die Liebe. Die Band, die man starten soll, ist natürlich das Band der Liebe. Und es geht um die Ungewissheit, ob das auch alles so klappt, wie man sich das vorstellt.

And how do I know if you’re feeling the same as me?
And how do I know if that’s the only place you want to be?

Aber Jeder, der einmal in diesem kleinen Proberaum gestanden hat, wird wissen, dass keine Liebe jemals größer sein kann als die Liebe zu den eigenen Träumen. Und dass man, wenn man mit halbgeschlossenen Augen auf seiner Gitarre die mühsam gelernten Akkorde dieses einen Songs schlägt, sich dann genau so fühlt. Dann ist man in Gedanken zwanzig Jahre älter, steht auf der Bühne und hat all die Probleme eines Heranwachsenden hinter sich gelassen.

Und warum? Kitschig: Weil man seiner wahren Liebe treu geblieben ist. Music was my first love, and it will be my last. Aber als Fünfzehnjähriger, der nach der Schule in diesem kleinen Raum vor einem Klavier sitzt, auf dessen staubiger Oberfläche die Nachmittagssonne seltsame Muster schreibt, als Fünfzehnjähriger meint man das vollkommen ernst.

Give me a festival and I’ll be your Glastonbury star
The lights are shining everyone knows who you are
Singing songs about dreams about hopes about schemes
Ooooh, they just came true

Und fünfzehn Jahre später fragt man sich, warum man es nicht einfach versucht hat. Amy hat es versucht und hat dabei gewonnen. Sie ist mit 20 Jahren aufs internationale Musikparkett geklettert und dort oben geblieben. Aber das wird sicherlich auch kein einfacher Weg gewesen sein. Es wird auch bei ihr diesen einen Moment der Katalyse gegeben haben, in dem sie sich endgültig dazu entschlossen hat, die Sache durchzuziehen und ihr Leben auf diese Art zu führen.

Der Moment des Aufbruchs

In ihrem Song ist dieser Moment sehr deutlich zu hören: Es ist der Moment des Auf- und Ausbruchs, auf den alle vorherigen Strophen hingearbeitet haben. Dem Song fehlte nämlich eigentlich der Refrain, bis dahin wurde nur Strophe an Strophe aneinander gereiht. Er hing deshalb etwas in der Luft, weil es für gute Popmusik eben einen knackigen Refrain braucht. Der kommt erst, als Amy all ihren Mut zusammennimmt, aufsteht und loslegt. Der Refrain hebt an, der Popsong wird vollständig, das Arrangement gewinnt an Fülle und die eher zurückhaltenden Gitarrenakkorde wagen den Weg auf die große Bühne. Und da hören wir auch wieder den Klang der Heldentrompete.

And if you want it too, then there’s nothing left to do.
Let’s start a band.

So einfach ist das nämlich. Wenn man wirklich will, sollte man tun. Sich einen Ruck geben, aufstehen und die Sache anpacken. Es hilft nichts anderes.