Echter Schneid

Es gibt diesen einen Film mit John Wayne. Da tut er das, was John Wayne immer tut, wenn man ihn John Wayne sein lässt: Er rafft sich auf und zeigt es den Bösewichten ein letztes Mal. Und obwohl wegen fortgeschrittenen Alters anderes Handeln empfohlen wird, straft der alte Haudegen die Zweifler Lügen und seine Gegner mit Rache. Der Wille triumphiert über das Alter, das Gestern erobert das Heute. Und dem Zuschauer wird klar , dass derart große Taten trotzdem nur Abglanz eines Goldenen Zeitalters sind: Wenn alte Männer heute mit einem Drittel ihrer Kräfte und im Herbst ihres Lebens derartiges leisten, wie muss es dann erst früher gewesen sein? Als Männer noch Männer waren, als man noch Neger sagen durfte und die Milch nur 50 Pfennig kostete. Wir sind Zwerge, auf den Schultern von Riesen.

Solche Filme gibt es auch heute noch. Da kommt auch häufig ein alter Haudegen und bringt den Jungens bei, wie es richtig geht. Space Cowboys war so ein Film, oder im Komödienfach auch Reine Chefsache. Bei der Lethal Weapon-Reihe wurde dieses Thema sogar irgendwann zum Running Gag, bei Expendables war es die Grundprämisse des Films und R.E.D. (= Retired Extremely Dangerous) hatte im Deutschen sogar den Untertitel “Älter, Härter, Besser”. Überhaupt gehört diese Attitüde bei allen neueren Filmen mit Stallone oder Willis zum fest gebuchten Stimmungsensemble. Würde Schwarzenegger noch Filme drehen, das Thema wäre wahrscheinlich: Der alte Mann zeigt es dem Jüngeren. Und Zuschauer Ende Dreißig könnten sich gepflegt ins Fäustchen lachen, als Genugtuung, weil ihnen der Jungspund aus der IT tags zuvor mal wieder das Internet erklären musste.

Das Methusalem-Komplott

Man stelle sich mal vor, so etwas passierte heutzutage in Berlin: Die Koalition steht vor einer harten Wahl, die Opposition gewinnt immer mehr an Boden und plötzlich treten auch noch Probleme auf, denen man nicht mehr Herr (oder Dame) zu werden scheint. Schließlich, am Ende einer nachtlangen Krisensitzung im Kanzleramt, greift Frau Merkel zum Telefon und sagt mit übermüdeter Entschlossenheit: “Holen sie mir Brüderle!”

Der würde sich natürlich in irgendeiner Berliner Bar für stellvertretende Vorsitzende herumtreiben und hätte zunächst  keine Lust auf die Rettung der deutschländischen Politik. Aber nach dem ihm plötzlich klar wird, dass er ganz persönlich betroffen ist, weil nämlich die Opposition bei Wahlgewinn die Bar für stellvertretende Vorsitzende mit linker Hähme schleunigst schließen würde, rafft er sich noch mal auf, nimmt das Ruder in die Hand und besiegt in einem furiosen Rednerduell auf dem Dach des Reichstages Daniel Mack, der daraufhin neidlos anerkennen muss, dass alte Männer doch die besseren Menschen sind.

Was im wirklichen Leben grotesk genannt werden dürfte, wird im Mainstreamkino gerne gesehen. Da wimmelt es von alten Haudegen, kernigen Sergeants, ergrauten Raubeinen und markigen Veteranen. Sicher, wirft schulterzuckend der Kulturpessismist ein, das ist halt ein Aufbegehren gegen das Methusalem-Komplott, eine Kampfansage gegen den juvenilen Wahn und seine generationäre Vertretung, die den Luxus liebt und “schwatzt, wo sie arbeiten sollte.” (Sokrates)

Die John Wayne-Verfilmung von True Grit aus dem Jahre 1969 ist sicherlich in jenem Geiste des sterbenden Old Hollywood entstanden. Der US-Western war zu diesem Zeitpunkt bereits ein Relikt. Mit seiner spießigen Moral und der entsprechend klaren Trennung von Gut und Böse war der amerikanische Heimatfilm bereits Jahre zuvor durch die italienische Konkurrenz demontiert worden. Der alte Marshal, der sich in True Grit aus seinem Stuhl erhebt und der Trunksucht zu entsagen versucht, war auch ein altes Genre, das es nochmal wissen wollte. Trotz einer kleinen Prise Selbstironie musste man aus purer Existenzangst aber auch die innere Haltung der Überlegenheit bewahren: Was vor 30 Jahren gut war, muss auch jetzt noch gut sein, sonst ist die eigenen Existenz ja erschreckend sinnlos. True Grit, echten Schneid, beweist Marshal Cogburn natürlich, indem er sich zusammenreißt und trotz widriger Umstände ins Feld zieht.

Mattie und die alten Männer

Die Romanvorlage von Charles Portis sieht das glücklicherweise anders. Dessen leider recht unbekanntes Werk wurde dementsprechend auch unter dem Titel Die mutige Mattie ins Deutsche übersetzt. Und es ist bemerkenswert, dass bei  der sehr werkgetreuen Neuverfilmung von True Grit durch die Coen-Brüder nicht nur ein veritabler Historienfilm, sondern auch eine unverschämt zeitgenössische Geschichte heraus gekommen ist.

Es ist nämlich eine Geschichte über Mattie Ross, deren Vater vom Herumtreiber Dick Tom Cheney erschossen wurde, und die deshalb den Mörder finden und ihn einer gerechten Strafe zuführen will. Und weil sie ein vierzehnjähriges Mädchen in einer Welt voller harter Kerle ist, das nicht nur ganz allein die Geschäfte ihres Vaters mit einem windigen Händler regelt, sondern auch einem versoffenem Marshall in den Hintern tritt und einem schwellbrüstigen Aufschneider die Gelegenheit gibt sich als echter Texas Ranger zu beweisen, genau deshalb ist True Grit eine Geschichte über echten Schneid. Aber nicht über alte Männer. Denn auch wenn die Vermarktung des Films beispielsweise auf dem Plakat versucht, Jeff Bridges und Matt Damon als Hauptdarsteller zu behaupten, letztendlich ist es eine Geschichte über Mattie Ross. Denn weder Marshal noch Ranger können der mutigen Mattie in puncto Standhaftigkeit das Wasser reichen. Der eine ertränkt die Sorgen über das heraufziehende Alter im Whiskey, der andere versucht die eigene Unsicherheit hinter eine Fassade aus Yeeha! zu verschanzen.

Aber Mattie zieht ihr Ding durch: Sie stellt schließlich den Mörder ihres Vaters und hilft den alten Männern ganz nebenbei, etwas mehr zu sich selbst zu finden. Man muss nämlich nicht nur können wollen, sondern auch wollen können. Und das lernen die alten Männer vom jungen Mädchen.

Zur Sicherheit hat man allerdings zwei Trailer geschnitten. Einen für junge Mädchen und einen für alte Männer.